Presseschau vom 10.11.2021

Herzlich willkommen zur aktuellen Ausgabe der Presseschau. Neben einer Personalie aus Schleswig-Holstein, einem Update aus Biblis und der geplanten Einrichtung eines Kompetenzzentrums für Strahlenschutz in Bayern dominiert erneut die Diskussion um Pro und Contra der Laufzeitverlängerung und zukünftiger Nutzung der Kernkraft die Berichterstattung zu dieser teilweise emotional geführten Debatte. Ein Blick in die Schweiz und auf die Möglichkeiten von Kernfusionsreaktoren rundet unser Angebot für Sie ab.

Überraschende Personalie in Schleswig-Holstein: Umwelt- und Energieminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) will laut eines Berichts des NDR im kommenden Jahr an die Spitze der parteinahen Heinrich-Böll-Stiftung wechseln. Der 38-jährige Albrecht, der als ein möglicher Spitzenkandidat der Grünen für die Landtagswahl im Mai 2022 gehandelt worden war, bestätigte dem Sender, dass er als künftiger Co-Vorstand nominiert worden sei. „Die Nominierung als Co-Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung ist eine große Ehre für mich und ich bin im Falle einer Wahl durch die Mitgliederversammlung bereit, diese reizvolle Herausforderung anzunehmen“, sagte er demnach im Interview mit der „Bild“. In Albrechts Ressort fällt auch die Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde für die KKW Brunsbüttel und Krümmel. Dort folgte erst kürzlich der Jurist Dr. Andreas Wasielewski als neuer Leiter der Abteilung für Reaktorsicherheit und Strahlenschutz im Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung (MELUND) in Schleswig-Holstein auf den bisherigen Abteilungsleiter Prof. Dr. Dr. Jan Backmann:

NDR

Das Energieunternehmen RWE wolle beim Rückbau des stillgelegten Kernkraftwerks Biblis im Jahr 2032 soweit sein, dass die beiden Blöcke aus dem Atomgesetz entlassen werden können, so die Rhein-Neckar-Zeitung. Für die Demontage werde eine „Rückbaufabrik“ errichtet. Derweil strebe die Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung mbH (BGZ) an, das Zwischenlager am Standort spätestens Ende 2024 autark zu betreiben und damit komplett eigenständig und unabhängig von der RWE-Infrastruktur. Für ihre Ziele investiere sowohl der Energieversorger als auch die BGZ „mittlere bis hohe zweistellige Millionenbeträge“, wie es in der jüngsten Online-Sitzung des Informationsforums zum Rückbau in Biblis hieß:

RNZ

Im bayerischen Kulmbach soll laut BR ein Kompetenzzentrum für Strahlenschutz entstehen. Es soll beim Rückbau der Kernkraftwerke in Deutschland eine bedeutende Rolle einnehmen. Vorgesehen sei, das neue Kompetenzzentrum an der Außenstelle des Bayerischen Landesamtes für Umwelt am Schloss Steinenhausen zu bauen. „Ein Leuchtturm der Umweltkompetenz in Oberfranken“ solle der Standort Kulmbach werden, sagt demnach Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler). Für den Standort Kulmbach habe gesprochen, dass das dortige Personal des Landesamts für Umwelt Erfahrungen aus dem erfolgreichen Rückbau des Versuchskraftwerks Kahl habe. Das Kernkraftwerk Kahl in der Nähe von Großwelzheim in Unterfranken war das erste kommerziell betriebene Kernkraftwerk in Deutschland. Es war 1985 stillgelegt und bis Ende 2008 rückgebaut worden:

BR

Betriebe man die in Deutschland verbliebenen Kernkraftwerke weiter, ließe sich, so eine These, eine Gigatonne CO2 einsparen und gleichzeitig Versorgungssicherheit gewährleisten. Dies sei zu erreichen, wenn man die Reaktoren weiter betreiben würde, hätten technologisch orientierte Klimaschutz-Vereine wie „Öko-Moderne e.V.“ berechnet. Solche Organisationen haben sich zur Initiative „saveger6“ zusammengeschlossen, eine Abkürzung für „save Germany’s six“, zur „Rettung“ der letzten sechs deutschen Kernkraftwerke. Zwei ehemals hochrangige Energiemanager erläutern in einem Beitrag für die WELT, wie sich der Weiterbetrieb organisieren ließe:

WELT (Bezahlinhalt)

Der Präsident des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), Wolfram König, lehnt laut eines Beitrags des Redaktionsnetzwerks Deutschland längere Laufzeiten für die noch verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland entschieden ab. „Die Debatte um etwaige Laufzeitverlängerungen von den letzten Atomkraftwerken in Deutschland hilft in keinerlei Richtung bei der notwendigen Transformation der Energieversorgung“, sagte König demnach der Deutschen Presse-Agentur. Die Diskussion über längere Laufzeiten für Atommeiler befinde sich mittlerweile auf einer Ebene, die „völlig losgelöst“ sei von den „technischen, genehmigungsrechtlichen und politischen Realitäten“, erklärte König, dessen Behörde hierzulande unter anderem die Aufsicht über den Umgang mit hochradioaktiven Abfällen hat:

RND

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) wendet sich laut FAZ gegen Forderungen von EU-Partnern, die Kernenergie als nachhaltig einzustufen. „Wir wollen keine Atomenergie, wir halten sie nicht für nachhaltig, und wir wollen auch nicht, dass die EU das unterstützt“, sagte die geschäftsführende Ministerin demnach den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Atomkraftwerke zu bauen ist viel zu teuer und dauert viel zu lange für den Klimaschutz“, sagte die Ministerin demnach. „Mal angenommen, wir würden uns entscheiden, doch wieder Atomstrom zu machen. Man findet eine Gemeinde, die ein Atomkraftwerk haben möchte, man beantragt die Genehmigungen, eröffnet einen gesellschaftlichen Großkonflikt und baut dann – da sind wir nach 2045, bis das Ding steht. Das bringt dem Klima nichts“:

FAZ

Angesichts hoher Strompreise und ambitionierter Klimaziele habe sich, ebenfalls laut WELT, die Einstellung der Deutschen zur Kernkraft gewandelt. Bei einer repräsentativen YouGov-Umfrage im Auftrag von WELT AM SONNTAG sprach sich demnach jeder zweite Bürger dafür aus, die bis Ende nächsten Jahres geplante Abschaltung der verbliebenen sechs Kernkraftwerke wegen der stark steigenden Energiepreise zurückzunehmen. Gegen einen solchen Politikwechsel sind lediglich 36 Prozent. 14 Prozent wollten sich nicht festlegen. Zum Vergleich: Im September 2019 hatten in einer Umfrage des Instituts Kantar noch sechs von zehn Deutschen dafür plädiert, die Nutzung der Atommeiler, wie 2011 beschlossen, spätestens bis Ende 2022 zu beenden:

WELT (Bezahlinhalt)

Weil die Revision des Kernkraftwerks Leibstadt einen Monat länger dauere als geplant, müssen die Aktionäre des Werks, die Energieunternehmen Axpo, BKW, AEW, und Alpiq für Ersatz sorgen. Sie hätten, so die NZZ, den zur Produktion geplanten Strom bereits verkauft. Der Schaden belaufe sich laut NZZ auf rund 180 Millionen Franken, da sich die Anbieter nun auf dem Spotmarkt würden eindecken müssen:

NZZ

Kraftwerke mit Kernfusionsreaktoren könnten bei der zukünftigen Energieversorgung eine wichtige Rolle spielen. In der Theorie wisse man bereits, dass das Erzeugen von Energie mit Fusionsreaktoren funktioniere, so eine Beitrag des RND. „Um Energie herzustellen, wird bei der Kernfusion rund eine Millionen Mal weniger Brennstoffmasse verbraucht als im Kohlekraftwerk – das ist ein Riesenvorteil“, berichtet demnach Hartmut Zohm, der am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching forscht und an Fusionsexperimenten in Deutschland und Frankreich beteiligt ist. „Es wird auch kein Kohlendioxid produziert.“ Ein weiterer Vorteil: Auch wenn es sich um eine Art Kernenergie handele, entstehe bei dieser Technologie kaum radioaktiver Müll, der über Millionen von Jahren endgelagert werden muss. „Tritium ist nur kurze Zeit radioaktiv, die Primärbrennstoffe Lithium und der Wasserstoff Deuterium aus dem Meer sind es überhaupt nicht“. Allerdings sei noch unklar, wann und ob die Technologie überhaupt startklar ist. Es liefen zwar vielversprechende Experimente, aber kein Fusionskraftwerk sei jemals in Betrieb gewesen, erst recht nicht zu kommerziellen Zwecken:

RND