Willkommen zu einer neuen Ausgabe der Presseschau. In dieser Woche beschäftigen wir uns ausführlich mit dem Urteil des BVerfG, das in überregionalen und lokalen Medien große Beachtung fand, haben Beiträge zu konkreten Rückbauthemen im Angebot, blicken auf geschichtliche Ereignisse der Kernkraftnutzung in Deutschland und Österreich, finden Zusammenhänge zwischen der möglichen Stilllegung des Heizkraftwerks Moorburg und dem Atomausstieg, besuchen die USA und Belarus und verlassen erstmals den Planeten, um Erstaunliches zur zukünftigen Nutzung von Kernenergie auf dem Mond zu erfahren.
Der vom Bundesverfassungsgericht geforderte Ausgleich für geschädigte Kraftwerksbetreiber muss noch einmal komplett neu geregelt werden. Die Gesetzesänderung von 2018 sei unzureichend und außerdem wegen formaler Mängel nie in Kraft getreten, entschieden die Karlsruher Richter nach einer erneuten Klage des Energiekonzerns Vattenfall. Der Gesetzgeber sei „zur alsbaldigen Neuregelung verpflichtet“. Nach dem Reaktorunglück im japanischen Fukushima hatte die schwarz-gelbe Bundesregierung 2011 für die 17 deutschen Kernkraftwerke eine nur wenige Monate zuvor beschlossene Laufzeit-Verlängerung zurückgenommen. Bis spätestens Ende 2022 müssen demnach alle Meiler zu festen Terminen vom Netz gegangen sein. Dagegen hatten Eon, RWE und Vattenfall bereits einmal in Karlsruhe geklagt. In ihrem ersten, großen Urteil vom 6. Dezember 2016 erklärten die Verfassungsrichter den beschleunigten Atomausstieg zwar für größtenteils mit dem Grundgesetz vereinbar. Problematisch sei aber, dass einige Kraftwerksbetreiber einmal zugestandene Strommengen durch die festen Abschalttermine gar nicht mehr selbst produzieren können. Dafür stehe ihnen ein angemessener Ausgleich zu.
Das betrifft vor allem Vattenfall mit seinen beiden deutschen Kraftwerken Krümmel und Brunsbüttel, für die gleich 2011 das endgültige Aus kam. Die Bundesregierung hat sich für einen finanziellen Ausgleich entschieden und stellt sich auf die Zahlung Hunderter Millionen Euro ein. Das Geld soll beantragt werden können, sobald 2023 der Atomausstieg vollendet ist.
Die gesetzlichen Vorschriften, die das Verfahren regeln, seien aber in Teilen „unzumutbar“, wie es nun aus Karlsruhe heißt. Neben der überregionalen Presse, die wir bereits an anderer Stelle aktuell zitierten (Bundesverfassungsgericht entscheidet zu Atomausstieg) und der Tagesschau beschäftigt sich auch die lokale Ostfriesenzeitung ausführlich mit dem Thema:
Mit dem CONUS-Neutrinodetektor wollen Forschende die kohärente Streuung von Neutrinos an Atomkernen nachweisen und haben den Detektor dazu im Kernkraftwerk Brokdorf installiert. Nun konnten sie laut eines Berichts des Wissenschaftsportals Astronews erstmals eine Obergrenze dafür bestimmen. Detektoren wie CONUS könnten künftig bei der Suche nach Dunkler Materie und als Frühwarnsystem für Supernovae eine wichtige Rolle spielen. Die enormen Anforderungen für ein solches Experiment machten einen experimentellen Nachweis der theoretischen Vorhersagen aus den 1970er Jahren für mehr als 40 Jahre unmöglich. 2017 wurde die kohärente Streuung von Neutrinos an Kernen erstmals im COHERENT-Experiment nachgewiesen. Genauere Messungen, unter anderem mit niederenergetischen Reaktorneutrinos stehen jedoch noch aus. Wissenschaftler des Heidelberger Max-Planck-Instituts für Kernphysik (MPIK) hätten sich nun mit dem Projekt CONUS (COherent Neutrino nUcleus Scattering) in Zusammenarbeit mit dem Kernkraftwerk Brokdorf dieser Herausforderung gestellt. Ein Kernkraftwerk biete ideale Voraussetzungen für ein Experiment zum Nachweis und Charakterisierung der kohärenten Streuung von Neutrinos an Kernen. Der Reaktor ist eine sehr starke, kontrollierte Neutrinoquelle, und je näher an der Quelle man den Detektor aufbauen kann, desto intensiver ist der Fluss:
Anfang 2021 soll am ehemaligen Kernkraftwerk-Standort Grafenrheinfeld ein Lager für schwach- und mittelradioaktive Stoffe in Betrieb gehen. Eine Sprecherin des „Schweinfurter Aktionsbündnisses gegen Atomkraft“ will nun laut BR erfahren haben, dass dort möglicherweise auch Abfälle aus dem Kraftwerk Würgassen gelagert werden sollen. In einer Pressemitteilung äußert die Sprecherin ihr Unverständnis über das Ansinnen des Betreibers Preussen Elektra, denn am Standort des rückgebauten AKW Würgassen gebe es seit 2007 bereits ein Zwischenlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle. Es würden nun unnötig Transporte zwischen diesen Lagern erforderlich, die man aus Sicherheitsgründen hätte verhindern können:
Vor 60 Jahren ging das Kernkraftwerk in Kahl am Main bei Aschaffenburg in Betrieb. Damals war es ein Pionierprojekt für die neue Technologie, heute, so der BR in seiner Reportage, sei „Gras über das Areal gewachsen“. Das Werk war das erste deutsche Kernkraftwerk, direkt an der Grenze zu Hessen am Main gelegen. Am 13. November 1960 ging das sog. Versuchs-Atom-Kraftwerk Kahl (VAK) in Betrieb. Ein Jahr später, am 17. Juni 1961, hat das VAK das erste Mal Strom in das öffentliche Stromnetz gespeist:
Die letzten Brennstäbe wurden aus dem Kernkraftwerk Isar entfernt, es sei damit seit kurzem brennstofffrei. Dies teilte der Standortleiter laut eines Berichts des lokalen Wochenblatts mit. Darüber hinaus liefen die Vorbereitungen auf den Rückbau des Block 2 „auf Hochtouren“. Ein halbes Jahr zuvor sei der letzte mit 52 Brennelementen beladene CASTOR-Behälter aus dem Reaktorgebäude KKI 1 ausgeschleust und ins Standortzwischenlager transportiert worden. Der letzte einzelne Brennstab wurde nun im Oktober in einem Spezialbehälter in das Lagerbecken von KKI 2 gebracht. Alle Sonderbrennstäbe werden nach der Stilllegung von KKI 2 in speziellen Köchern für Sonderbrennstäbe in den letzten CASTOR-Behälter verladen:
Das neue umstrittene Kernkraftwerk in Belarus ist nach Technikproblemen erneut ans Netz gegangen. Der erste Kraftwerksblock sei nun in Betrieb, meldete die belarusische Staatsagentur Belta unter Berufung auf das Energieministerium. Der Reaktor arbeite derzeit mit 40-prozentiger Auslastung. Die Systeme würden weiter überprüft. In dem von Russland gebauten und finanzierten KKW war nur wenige Tage nach dem Betriebsstart die Stromproduktion wegen technischer Probleme eingestellt worden. Nachbarland Litauen bezeichnete die Anlage als „nukleare und ökologische Bedrohung“ für ganz Europa. Das Handelsblatt berichtet:
Mit der Ankündigung, das Kohlekraftwerk Moorburg in Hamburg stillzulegen, überraschte der Betreiber Vattenfall. Auch die Wirtschaft, so die WELT, sorge sich nun um eine sichere Stromversorgung in Norddeutschland. Einen Mangel an Strom fürchte die Hamburger Industrie zwar nicht, aber einen drohenden Rückschritt bei der Netzstabilität. Würde Moorburg vom Netz gehen, gäbe es Ende 2021 kein Großkraftwerk mehr von der Elbe bis zur dänischen Grenze, denn im Zuge des Atomausstiegs stellt Ende des kommenden Jahres auch das Kernkraftwerk Brokdorf den Betrieb ein, das letzte Kernkraftwerk im Großraum Hamburg. „Konventionelle Kraftwerke wie Moorburg erbringen vielfältige technische Leistungen, vor allem auf regionaler Ebene – sie halten die Stromnetze im Betrieb stabil, sie gleichen starke Schwankungen beim Stromangebot oder bei der Nachfrage aus oder auch natürliche Einflüsse, von der Frequenzregelung bis hin zur sogenannten Kurzschlussleistung“, wird der Vorsitzende des Industrieverbands IVH zitiert. „Das kann man nicht einfach durch andere Kraftwerke ersetzen, die Hunderte Kilometer entfernt stehen.“:
• WELT
Amerikas nächster Präsident Joe Biden setzt laut Spiegel Online im Kampf gegen den Klimawandel auch auf Kernkraft. Eine neue Generation von Mini-Kraftwerken solle mobil und vor allem sicher sein. Biden wolle eine Agentur gründen, die Forschung und Entwicklung von nuklearen Reaktoren vorantreiben und die »Zukunft der Kernenergie ergründen soll«, wie er laut Spiegel in seinem Wahlprogramm schrieb. Er setze dabei auf sogenannte Small Modular Reactors (SMR), die schnell und kostengünstig entstehen könnten. Das Konzept sei nicht neu, gelte aber als Hoffnung der angeschlagenen Branche. SMRs sollen künftig mit Wind-, Sonnen- und Wasserkraftstrom einen Energiemix liefern und dann einspringen, wenn bei den Erneuerbaren Flaute ist oder Wolken die Energielieferung mindern:
• SPIEGEL
Während Deutschland aus der Atomkraft aussteigt, erlebt sie in vielen Ländern der Erde einen Boom. Die USA haben nun laut eines Berichts des Magazins GEO Pläne bekräftigt, Kerntechnologie sogar auf dem Mond einzusetzen. Mini-Kernkraftwerke sollen zukünftige Mond- und Mars-Missionen zuverlässig mit ausreichender Energie versorgen. Eine Ausschreibung der NASA und des US-Energieministeriums für das Mond-Projekt laufe derzeit, 22 Unternehmen sollen sich beworben haben. Zu Jahresbeginn 2021 solle es eine weitere Ausschreibung zur Reaktortechnik geben. Der Zeitplan sei „sportlich“: Schon im Jahr 2026 solle der erste Versuchsreaktor auf dem Erdtrabanten in Betrieb genommen werden:
• GEO
„Man darf keine Angst vor der Stille haben. Und das Wichtigste ist die Routine.“ zitiert der österreichische Kurier Franz Müller, Hausmeister im seit 1985 leerstehenden Kernkraftwerk Zwentendorf. Müller sei „der Herr über 1.050 Räume“, die außer ihm so gut wie nie jemand beträte. Das stillgelegte Werk werde nur fallweise von Besuchergruppen frequentiert. 250 Personen hätten bis Mitte der 80er Jahre in dem Werk gearbeitet, dass seinen Betrieb nie aufgenommen hat, da eine Volksabstimmung sich dagegen entschied. Das Feature im Kurier reflektiert über einen Markstein österreichischer Wirtschafts- und Energiegeschichte:
• KURIER (Bezahlinhalt)