Presseschau vom 16.09.2020

Wir begrüßen Sie ganz herzlich zu einer neuen Ausgabe der Presseschau: Diesmal ein bunter Strauß von Meldungen aus dem In- und Ausland, bei dem es u.a. um die Entsorgungsthematik im Norden, Forderungen nach einer Renaissance der Kernkraft, erneut um den EC-Treaty sowie um Entwicklungen in Belarus und Russland geht.

Die Gemeinde Harrislee, die Stadt Flensburg, der Deponiebetrieb Balzersen und die Kommune Appenrade/Aabenraa hatten sich bereits gegen die ins Spiel gebrachte Lagerung von Schutt aus dem Rückbau der Kernkraftwerke Brunsbüttel, Krümmel und Brokdorf ausgesprochen. Schon im Mai hatte die Landesregierung Schleswig-Holstein allerdings laut eines Berichts des Der Nordschleswiger beschlossen, dass einer Deponie die Lagerung zugewiesen werden könne. Der Beschluss sei erst jetzt in der Gemeinde Harrislee bekannt geworden, berichtet nun „Flensborg Avis“. Laut politischem Beschluss könnte die Deponie Balzersen nahe der Grenze verpflichtet werden, Schutt von zurückgebauten Kernkraftwerken zu lagern:

DER NORDSCHLESWIGER

Nachdem ein Arbeiter im Juni 2019 im Kernkraftwerk Isar I tödlich verunglückte, ist eine Ingenieurin am Amtsgericht Landshut wegen fahrlässiger Tötung lediglich zu einer Geldstrafe und nicht wie von der Staatsanwaltschaft gefordert zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Rückbau-Pläne entlasteten dabei laut eines Berichts des BR die Ingenieurin vor Gericht. Bei Rückbauarbeiten am KKI war im Juni 2019 ein Mitarbeiter ums Leben gekommen, weil er bei Plasmaschneidearbeiten von einem herabfallenden, über eine Tonne schweren Metallteil eingequetscht worden war:

BAYERISCHER RUNDFUNK

Im grenznahen Kernkraftwerk im lothringischen Cattenon ist es zu einer Störung gekommen, in deren Folge ein Reaktor abgeschaltet wurde. Wie die Saarbrücker Zeitung berichtet, meldete der Betreiber der Atomsicherheitsbehörde den Vorfall der Stufe 1. Anlass für die Abschaltung des Reaktors sei eine Fehlfunktion einer elektronischen Schaltkarte. Der Block sollte ohnehin für Wartungsarbeiten abgeschaltet werden. Gemeldet wurde ein „Ereignis der Stufe 1“ gemäß der achtstufigen INES-Skala (null bis sieben) für nukleare Ereignisse:

SAARBRÜCKER ZEITUNG

Die bisherige Finanzvorständin Anna Borg wird neue Chefin des Energiekonzerns Vattenfall. Das schwedische Unternehmen mit Sitz in Stockholm kündigte den Wechsel an der Spitze an. Borg soll zum 1. November zur Präsidentin und Geschäftsführerin aufrücken und damit Magnus Hall (60) ablösen. Seit 2017 ist Borg Finanzvorständin bei Vattenfall, so das Manager Magazin:

MANAGER MAGAZIN

Eine Spezial-Ausbildung für Fachkräfte beim Rückbau von Kern- und Kohlekraftwerken hat die Neubrandenburger Industrie- und Handelskammer aufgelegt. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, können sich Interessierte in neun Monaten zur „Fachkraft für Kraftwerksrückbau (IHK)“ ausbilden lassen. Diesen Lehrgang gibt es erstmals in Deutschland. Dazu gehören ein Theorieteil und Praktika bei mehreren Firmen wie in Lubmin (Vorpommern-Greifswald), wo der Rückbau des größten DDR-Kernkraftwerkes seit Jahren läuft, sowie im brandenburgischen Lübbenau (Oberspreewald/Lausitz). Hintergrund der Ausbildung ist der geplante Rückbau noch laufender Kernkraftwerke in Deutschland und später von Kohlekraftwerken:

SUEDDEUTSCHE ZEITUNG

Ursprünglich hat Deutschland den „Energy-Charta-Treaty“ (ECT) Anfang der neunziger Jahre ratifiziert, um Investitionen in Ländern des ehemaligen Ostblocks zu schützen, deren Justiz noch nicht richtig funktionierte. Auf Basis des ECT konnten ausländische Energiekonzerne, die sich unfair behandelt fühlten, Regierungen vor internationalen Schiedsgerichten verklagen. Inzwischen wenden Unternehmen den ECT aber auch gegen „intakte“ Rechtsstaaten an. Ein Beitrag des ZDF schildert die Zusammenhänge und deren Auswirkungen auf die Energiewende. Ein bekannter Fall sei die Klage gegen die Stilllegung der beiden Kernkraftwerke in Brunsbüttel und Krümmel. Deren Betreiber Vattenfall wolle eine faire Kompensation für die beiden Meiler, die nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima 2011 vom Netz genommen wurden. Vor dem Schiedsgericht der Weltbank (ICSID) verlangt Vattenfall von Deutschland 4,4 Milliarden Euro Schadensersatz plus Zinsen, das Verfahren läuft noch:

ZDF

Die Städteregion Aachen ist mit einer Klage auf Stilllegung des als marode kritisierten belgischen Kernkraftwerks Tihange 2 gescheitert. Ein Gericht erster Instanz in Brüssel wies die Klage laut eines Berichts der Neuen Juristischen Wochenschrift NJW ab. Hinter dem Verfahren standen neben der Städteregion Aachen auch das niederländische Maastricht, die luxemburgische Stadt Wiltz und weitere Kläger. Sie hatten Gefahren für Leib und Leben durch das Kraftwerk geltend gemacht. Dem folgte das Gericht laut NJW nicht:

BECK AKTUELL/NJW

Die Stimmen für eine Abkehr vom Atomausstieg bleiben hörbar: So setzt sich laut eines Beitrags der Augsburger Allgemeinen der Verein Nuklearia für eine „moderne und sichere Kernenergie“ ein und habe dazu eine Reihe bundesweiter Pro-Kernkraft-Demonstrationen gestartet. Nach dem Auftakt beim Kernkraftwerk Brokdorf in Itzehoe treten die Kernkraft-Befürworter demnach als nächstes beim Kernkraftwerk Emsland in Lingen an, danach stehe das KKW Isar im bayerischen Niederaichbach auf dem Plan. Der Meiler Neckarwestheim im baden-württembergischen Gemmrigheim solle im Oktober den Schauplatz zum vorläufigen Abschluss der „KKW-Werbetour“ bilden. Die Initiative sei laut Aussage des Blatts „hochkarätig und kompetent“ besetzt, Kernargument pro Kernkraft sei der Klimaschutz und die Funktion als Brückentechnologie bis zur vollständigen Energieversorgung durch erneuerbare Energien:

AUGSBURGER ALLGEMEINE

Durch die Proteste wegen mutmaßlicher Wahlfälschungen in Belarus gerät laut Deutschlandfunk Kultur auch ein Prestigeprojekt von Präsident Lukaschenko ins Wanken: In diesen Tagen soll das erste Kernkraftwerk des Landes in Astravets in Betrieb gehen. Doch der Widerstand dagegen wachse: Zahlreiche Demonstrationen richten sich gegen den Bau, in benachbarten Industrieanlagen sei es bereits zu Streiks gekommen. Die russische Atombehörde Rosatom baut in Astravets seit neun Jahren an dem Kraftwerk, dabei sei es mehrfach zu Komplikationen gekommen:

DEUTSCHLANDFUNK KULTUR

Vor einem Jahr ist die „Akademik Lomonossow“, das erste schwimmende KKW der Welt, mit großer medialer Beachtung im nördlichen Hafen Murmansk in See gestochen. Seit Ende 2019 liefert das Werk Strom in der entlegenen Region Tuschkotka. Doch sei dies extrem teuer, so der MDR. Um den Betrieb wirtschaftlich zu machen, bedürfe es immenser staatlicher Subventionen und einer höheren Auslastung. Auch wenn der Energiebedarf in der Region u.a. durch dort gelegene Minenbetriebe besonders hoch sei, steuere das Werk nur 20% des Bedarfs bei und stehe im Wettbewerb mit lokalen, kohlebetriebenen Kraftwerken:

MDR