Presseschau vom 15.09.2021

Das vorherrschende Thema unserer Auswahl an lesenswerten Artikeln in dieser Woche ist die erneut lauter werdende Diskussion über das Festhalten an der Kernkraft angesichts ihrer Bedeutung für die Erreichung der Klimaziele, die gleich in mehreren Beiträgen aus unterschiedlichen Perspektiven diskutiert und beleuchtet wird. Auch der Energiebedarf der deutschen Stahlindustrie und deren möglicher Hinwendung zu Frankreich, um die dortige Kernenergie nutzen zu können, ist eine Facette dieser Thematik. Aus den deutschen Anrainerstaaten wird zudem gleich über mehrere Neubauprojekte für KKW verschiedener Bauarten berichtet. Abgerundet wird unsere Auswahl durch eine interessante Betrachtung des Energiebedarfs der Kryptowährung Bitcoin, die die Kapazität gleich mehrerer KKW voll ausschöpfen würde.

Vor dem Kernkraftwerk in Gundremmingen demonstrierte nach einem Bericht des BR erneut der Verein Nuklearia für den Erhalt der Kerntechnik. Es sei die letzte Station einer Reihe von Veranstaltungen in ganz Deutschland. In Heilbronn, Landshut, Hameln oder Brokdorf seien die Mitglieder der Initiative schon aktiv gewesen, ihre Botschaft verkünden sie auf großen Schildern und Fahnen: „Kernenergie – ja bitte“ oder „Atomaustieg – nein danke“. Der BR hält die Proteste unter Verweis auf den erfolgten, nicht umkehrbaren Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland für aussichtslos, die Befürworter berufen sich auf substantielle positive Auswirkungen auf den Klimaschutz:

BAYERISCHER RUNDFUNK

Ebenfalls von einer Pre-Kernkraft-Demonstration in Brüssel berichtet das Grenzecho. Es habe eine Protestkundgebung am Brüsseler Zentralbahnhof für den Erhalt der Kernenergie gegeben. Die Polizei sprach demnach von etwa 200 Teilnehmern auf dem Höhepunkt der Veranstaltung. Nach Ansicht der Demoteilnehmer sei die Kernenergie als Antwort auf die globale Erwärmung notwendig. Es versammelten sich laut Grenzecho Demoteilnehmer aus verschiedenen Ländern. Die Redner erläuterten die Situation in ihren jeweiligen Ländern:

GRENZECHO (Bezahlinhalt)

Auch der SPIEGEL beschäftigt sich in einem Podcast mit der Diskussion, ob Kernkraft eine starke Relevanz für die Bewältigung des Klimawandels darstellen könne. Die Kernfrage sei, ob man eine Risikotechnologie vom Netz nehmen solle, die klimafreundlichen Strom produziere. Gäste des Podcasts sind Heila Beyme von Anti Atom Berlin, Rainer Klute vom Verein Nuklearia und Philip Bethge, Redakteur im Wissenschaftsressort des SPIEGEL, die das Thema erörtern:

SPIEGEL

Die Zukunft der Stahlindustrie in Deutschland sei aufgrund Unsicherheiten in der Energieversorgung stark gefährdet, so laut WELT Karl-Ulrich Köhler, Vorstandsvorsitzender der Stahl-Holding Saar (SHS), zu der die Dillinger Hütte und Saarstahl gehören. „Die Standortfrage wird sich in den kommenden Jahren stellen“, sagte der Manager demnach vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung Düsseldorf (WPV). Hintergrund seien die Klimaziele der Politik und die notwendige Umstellung der Produktion von Koks und Kohle auf eine strombasierte Metallurgie. Dabei kämen sogenannte Direktreduktionsanlagen und Elektrolichtbogenöfen zum Einsatz. Die saarländische Stahlindustrie orientiere sich daher jetzt in Richtung Ausland. So habe SHS kürzlich Werke in Frankreich vom Konkurrenten Liberty Steel übernommen. Sie sollen Dreh- und Angelpunkt für die Produktion von grünem Stahl werden. Die dortigen Elektrolichtbogenöfen ermöglichen die Produktion von Spitzenstahl mit einer CO2-neutralen Bilanz. Der notwendige Strom komme aus den französischen Kernkraftwerken. In Deutschland hingegen würden Kapazitäten abgebaut werden:

WELT

Polen will baldmöglichst aus der Kohleverstromung aussteigen, dafür wolle das Land nun massiv auf Kernenergie setzen. Unweit der Ostsee sollen deshalb in den kommenden Jahren zwei neue Kernkraftwerke gebaut werden. In Deutschland bereiten die Pläne laut des Senders n-tv Unbehagen, ein Unfall, so diverse Stimmen, könnte auch für die Nachbarländer und besonders Deutschland schwere Folgen haben. Der Beitrag fasst den Sachstand zusammen und lässt Gegner der Vorhaben und Vertreter der deutschen Politik zu Wort kommen:

N-TV

Auch die BILD blickt nach Polen: Demnach planen die Milliardäre Michał Sołowow (laut „Forbes“ mit einem Vermögen von rund
3,5 Milliarden Euro der reichste Mann Polens) und Zygmunt Solorz-Żak, schon 2027 das erste privat betriebene Kernkraftwerk Polens ans Netz gehen lassen zu wollen. Beide hätten per Twitter bekanntgegeben, dafür ein Joint Venture gegründet zu haben. Gebaut werden solle das Werk in Zentralpolen, rund 100 Kilometer östlich von Wrocław und auf halbem Wege nach Łódź. Geplant seien kleine Reaktoren auf Basis der „Small Modular Reactors“-Technologie (SMR). Der Plan der Milliardäre stehe nicht in Konkurrenz zu den staatlichen Plänen zum Bau weiterer KKW. „SMR werden große staatliche Energieträger nicht ersetzen, aber sie können sie perfekt ergänzen und beitragen, den Mangel an Kapazität im Energiesystem zu überwinden, der durch die Stilllegung weiterer Kohlekraftwerke und die steigende Nachfrage nach Strom entsteht“, zitiert das Blatt den Chef des polnischen Energieunternehmens „Ze Pak“:

BILD

Der Gründer des Software-Riesen Microsoft Bill Gates baue laut eines Berichts des Finanzportals Börse Express zusammen mit dem bekannten Investor Warren Buffett ein Kernkraftwerk. Auf dem Gelände eines stillgelegten Kohlekraftwerks im US-Bundesstaat Wyoming entstehe ein Mini-Kernkraftwerk der neuesten Generation. Gebaut wird es von Terrapower, einem von Bill Gates gegründeten Start-up, und Pacificorp, einem Energieunternehmen von Warren Buffett. An Kernenergie führe als Säule einer wirtschaftlichen, umweltverträglichen, wettbewerbsfähigen Energieversorgung kein Weg vorbei, so die Initiatoren. Im vergangenen Jahr waren 442 Reaktoren in 33 Ländern rund um den Globus in Betrieb, die zusammen eine Leistung von 391 Gigawatt erbrachten. Aktuell befinden sich 53 weitere Kernkraftwerke in Bau, vorwiegend im asiatischen Raum, die dieser Bilanz weitere 56 Gigawatt hinzufügen werden. In Planung sind insgesamt 108 neue Kraftwerke. Allein China plant den Neubau von 44 Meilern:

BOERSE-EXPRESS

In einem Kernkraftwerk in Tschechien ist einer der vier Reaktorblöcke außerplanmäßig heruntergefahren worden, berichtet der Deutschlandfunk. Grund seien Probleme mit einer Kühlpumpe, die nun genauer untersucht würden, sagte demnach ein Kraftwerkssprecher der Deutschen Presse-Agentur. Der betroffene Block im Werk Dukovany werde innerhalb weniger Tage wieder ans Netz gehen können. Umweltschützer halten die mehr als 30 Jahre alte Anlage für veraltet. Die tschechische Regierung will den Anteil der Atomenergie bei der Stromgewinnung mit dem Bau neuer Kernreaktoren ausbauen:

DEUTSCHLANDFUNK

Das Kernkraftwerk Beznau im Schweizer Kanton Aargau darf seinen Block 2 nach einer über fünfwöchigen Revision wieder anfahren. Wie der SRF berichtet, habe die Atomaufsichtsbehörde Ensi der AKW-Betreiberin Axpo nach einer Schlussinspektion die Erlaubnis dafür erteilt. Beznau 2 war am 6. August heruntergefahren worden. Der Brennelementwechsel und die weiteren gesetzlich erforderlichen Arbeiten seien vorschriftsgemäss durchgeführt worden, teilte das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat auf seiner Website mit. Es lägen keine Hinweise vor, die einen sicheren Leistungsbetrieb in Frage stellten:

SRF

Das Schweizer Nachrichtenportal Bluewin beruft sich auf einen Beitrag der New York Times und findet einen Vergleich, um den Energiebedarf der Kryptowährung Bitcoin zu erläutern: Nach einer neuen Analyse zeige sich erneut der enormen Stromverbrauch von Bitcoin. Die Kryptowährung benötige im Jahr 91 Terawattstunden, was rund 0,5 Prozent des weltweiten Strombedarfs entspräche und den siebenfachen Verbrauch des Tech-Unternehmen Google darstelle. Das stärkste Schweizer Kernkraftwerk in Leibstadt, so Bluewin, erzeuge rund 9 Terawattstunden im Jahr, die gesamte Schweiz verbrauche jährlich um die 56 Terawattstunden. Man bräuchte also 10 KKW wie Leibstadt, um Bitcoin zu betreiben:

BLUE NEWS